Die weiße und die blaue Welt

„Presse“-Chefredakteur Rainer Nowak und Digitalchef Manuel Reinartz im Gespräch über bezahlpflichtige Premium-Artikel, schwedische Vorbilder und den Austritt der ÖWA aus dem Verein Mediaserver

MedienManager: Die Presse startet ab März ein Bezahlmodell für ausgewählte Artikel. Wann wurde diese Entscheidung getroffen und wie hat sich der Prozess bis zum endgültigen Produkt gestaltet? Rainer Nowak: Das geht zurück auf eine prinzipielle Entscheidung des Styria-Vorstands, dass die Zeitungen beweisen müssen, dass sie auch im Netz mit Qualität Geld verdienen können. Das war vor zwei Jahren. Manuel Reinartz hat das Projekt vor allem in den vergangenen 12 Monaten sehr stark getragen. MedienManager: Haben Sie andere Medienhäuser besucht? Nowak: Wir sind viel gereist und haben uns viel angesehen. Es gibt deutsche Vorbilder, die uns schon beeinflusst haben. MedienManager: Welches Modell ist nun am nähesten am letztendlich Umgesetzten dran? Manuel Reinartz: Das Svenska Dagbladet war sehr interessant. Wenn man fünf Jahre in die Zukunft schauen will, fliegt man am besten nach Schweden. Da ist auch das Mindset der Menschen ein ganz anderes als in Österreich. In den Niederlanden zücken die Leute beispielsweise ziemlich flott die Kreditkarte, sind aber nicht so loyal. In Deutschland schaut das ganz anders aus. Welt und Bild haben festgestellt, dass die exklusiven Bundesliga Videos gar nicht so sehr der Renner waren. Vielmehr haben sie gebundelt, beispielsweise: der BildPlus-Abonnent bekommt den Vor-Vor-Verkauf für ein Rolling Stones Konzert und sie haben mit ihren Abonnenten ein Konzert ausverkauft. MedienManager: Die Bild setzt also auf den Clubgedanken. Nowak: Genau, das wäre auch unser Zugang. MedienManager: Und auf den Shop dann in weiterer Folge. Nowak: Das ist dann erst die Ausbaustufe. Jetzt gehen wir mal in den publizistischen Club hinein, dort wird es dann Goodies geben, ob das jetzt erschienene Kommentare, zusätzliche Features oder Dossiers sind. MedienManager: Ist es den Lesern schwer beizubringen, was ein Premium-Artikel ist? Reinartz: Was Premium ist, ist schnell erklärt: alles wo sehr viel Presse drinsteckt, wo der Redakteur sehr viel Expertise hat, wo wir sehr viel Aufwand betreiben, wo wir exklusives Material haben. Exklusiv heißt auch originär. Nowak: Was sehr wichtig in dem Zusammenhang ist, dass Premium zusätzlich sein wird. Weiterhin wird es die Presse Digital kostenlos geben. Das ist der Hauptirrtum, dass Menschen fürchten, sie kommen überhaupt nicht mehr hinein. Und dann gibt es noch die Musikindustrie als Beispiel. Überhaupt niemand hätte denken können, dass es einmal etwas gibt wie Spotify, wo Menschen für Musik bezahlen. Jetzt müssen wir nur noch schauen, wer uns ein Spotify macht. MedienManager: Das würde in Österreich allerdings aufgrund der Konkurrenzstellung zum ORF schwierig sein. Nowak: Das müsste etwas international Deutschsprachiges sein. On the long run wird es auch für österreichische Medienmarken darum gehen, in Deutschland stärker mit Reichweite punkten zu können. Mit www.diepresse.com könnte uns da ein bisschen mehr gelingen als anderen. Das meine ich jetzt nicht wie nzz.at, dass man ein eigenes Büro in Deutschland gründet, und dort Journalisten sitzen hat, weil ich glaube, das wird sich einfach nicht rentieren, sondern dass das über eine Google-Positionierung funktionieren könnte. MedienManager: Haben sie zu nzz.at ein besonderes Verhältnis? Reinartz: Also die haben sicher so ein bisschen den Stein ins Rollen gebracht. Ich finde das Projekt hochspannend. Sie haben bis jetzt halt noch nicht gesagt, wie erfolgreich sie sind. Nowak: Es gibt ein Naheverhältnis. Mein Vorgänger ist dort der Chef, der Gründer gewesen. Außerdem haben sie einen ähnlichen wirtschaftspolitischen, liberalen Kurs wie wir und ich finde, die Kollegen machen dort einen exzellenten Job. MedienManager: Sind sie Abonnent? Nowak: Ich war Abonnent und jetzt bin ich es derzeit nicht, aber wenn sie mich daran erinnern, muss ich es natürlich sofort wieder werden. Aus Solidarität. Erwischt. MedienManager: Ab wann gilt für sie das Premium-Modell als Erfolg? Reinartz: Wir haben uns interne Ziele gesetzt und wenn wir die erreichen, dann ist es ein Erfolg. Nowak: E geht uns prinzipiell mal darum, diese Veränderung herbeizuführen. Es gibt keinen Businessplan, wo wir sagen, wir werden damit Millionen machen. Eher, steter Tropfen höhlt den Stein, eher ein Aufbruch, den hoffentlich andere Medien auch beschreiten werden. Dahinter steht, dass wir mit diesem Modell versuchen, die ohnehin schon passierte Digitalisierung dieser Zeitung voranzutreiben. MedienManager: Was glauben Sie, wer könnte in Österreich als nächster ihrem Bezahlbeispiel folgen? Nowak: Es wäre schön, wenn der Kurier da noch stärkere Akzente setzt. Ich denke über lang oder kurz sollten das alle tun. Der ORF ist ein Sonderfall, wie man mit dem umgeht, das überlasse ich dem Herrn Drodza, der hat da viel Zeit und Muse für solche Dinge. Und wie Der Standard vorgeht, werden wir sehen. Reinartz: Es werden sich sicher alle Medienhäuser darüber Gedanken machen. Salzburger NachrichtenOberösterreichische Nachrichten, die werden da sicher was unternehmen, beziehungsweise haben das schon gemacht. Aber ich glaube, man darf das auch nicht unterschätzen. Alleine was man da an technischer Infrastruktur braucht. Ich weiß, dass die Süddeutsche drei Jahre lang an ihrer Paywall gearbeitet hat. Das fängt bei ganz einfachen Dingen an. Wir müssen in der Lage sein, den Usern die Möglichkeit zu bieten in Echtzeit zu zahlen und die bekommen auch in Echtzeit dieses Service, das sie kaufen. Das hat ein Zeitungsverlag bisher nicht gebraucht. Ein Zeitungsabo habe ich bestellt und irgendwann habe ich dann die Zeitung bekommen und das ist im Digitalgeschäft schon anders. MedienManager: War dieser Punkt für sie leichter, weil sie direkten Zugriff auf die Infrastruktur der Kleinen Zeitung hatten? Reinartz: Wir haben das gemeinsam entwickelt. Es war nicht so, dass die Kleine Zeitung alleine in Graz gearbeitet hat und wir machen das jetzt auch. Das ist ein Konzernprojekt. Wir sind gemeinsam mit der Kleinen Zeitung zwei Jahre lang zusammen gesessen und haben versucht, eine gemeinsame technische Infrastruktur aufzusetzen, wo jede Marke natürlich ihre Befindlichkeiten und Anforderungen hat. Das unter einen Hut zu bringen war manchmal nicht einfach, aber ist uns gelungen. Es wäre auch ein gleichzeitiger Start möglich gewesen. MedienManager: Was waren die Befindlichkeiten der Presse? Reinartz: Die Kleine Zeitung verkauft keine Artikel einzeln. Wir haben gesagt, bei uns gibt es zwei große Gruppen, die die abonnieren wollen, und die einzeln kaufen wollen. Das erfordert im redaktionellen Arbeiten eine ganz andere Denkweise. Ich kann nicht einen Artikel zusperren und dann wieder aufsperren, das geht nicht. Es gibt auch keine Hintertür, wie bei anderen. Wenn man mit dem Referrer Google oder dem Referrer Facebook daherkommt, ist die Geschichte trotzdem zu. Wir haben auch die Möglichkeit ein ganzes Haus freizuschalten. Sagen wir, eine Firma gönnt ihren Mitarbeitern Presse Premium im Haus, dann kann man zu einem bestimmten Preis ein ganzes Haus freischalten. MedienManager: Nutzen Sie Big Data? Reinartz: Natürlich tun wir das. Wir versuchen herauszufinden, wo bewegen sich unsere Kunden, was lesen die, sind sie eingeloggt oder nicht eingeloggt. Wir versuchen soviele Daten wie möglich zu sammeln und der nächste Schritt wäre, dass wir Segmente aus diesen Userbestand ziehen und ganz direkt 20-30jährige adressieren, die sich für das und das interessieren. Aber das ist jetzt nicht alles Rocket Science. MedienManager: Wobei neuesten Erhebungen nach die soziodemografischen Daten ja an Bedeutung verlieren und mehr die Kaufentscheidungen ausschlaggebend werden. Nowak: Da haben wir dann mit unseren Editionen ein Tool, mit dem wir noch arbeiten werden. Weil wir wissen, was unsere User bei uns für Waren kaufen. Weil wir das einzige österreichische Medium sind, dass einen digitalen Luxusshop angehängt hat und da sind natürlich Auswertungen möglich. MedienManager: Beschäftigen Sie jetzt eigentlich mehr Datenjournalisten oder Grafiker zur visuellen Aufbereitung der Themen? Reinartz: Das Witzige und das Spannende ist, dass sich jetzt sehr viele Mitarbeiter sehr engagieren in diesem Bereich. Nowak: Man muss überhaupt sagen, wir setzen Ressourcen neu oder anders ein als vorher. Aber die Idee, dass wir für neue Aufgaben neues Personal anheuern, ist keine sehr realistische. Das mag bei Boulevardzeitungen, die vom Staat gefördert werden, gehen, aber bei einer Qualitätszeitung geht das nicht. Reinartz: Das Engagement ist extrem hoch. MedienManager: Es wird also einfach umgeschichtet. Leute entdecken neue Talente und werden anders eingesetzt. Nowak: Die Kollegin Nussmeier bespielsweise, die kann Datenjournalismus, die kann eine Geschichte fürs Feuilleton schreiben, die kann das einfach. Ich fürchte, das wird in Zukunft das notwendige Profil sein, um einen Job bei uns zu bekommen. MedienManager: Die ÖWA ist aus dem Mediaserver ausgetreten. Was sagen Sie dazu? Nowak: Ich muss als VÖZ-Vorstand ein bisschen aufpassen. Nur so viel: Ich kann das bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen.