Runde 2 gegen YouTube, Amazon & Co.

Die EU und Europas große TV-Konzerne konkretisieren ihre Angriffspläne zu den Digitalriesen aus den USA.

Die Pläne europäischer Medienhäuser im Kampf um den Medienkonsumenten (und freilich auch um den Werbekunden) nehmen schön langsam Form an. Auch politisch wird an Lösungen gefeilt, Stichwort Digitalsteuer. Nun melden sich deutsche TV-Anstalten zu Wort, die für europäische Allianzen der besonderen Art plädieren. So ließ jüngst der neue ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm mit einem Plan für ein Gegenstück zu Facebook und YouTube aufhorchen. Er skizzierte die Idee einer gemeinsamen Plattform von Sendern und Verlagen auf europäischer Ebene: „Deutschland und Frankreich sollten die Initiatoren sein, die das Projekt voranbringen, wie einst Airbus als europäische Antwort auf Boeing“, wird Wilhelm in einem Interview mit wuv zitiert. Nach seiner Vorstellung sollen sich daran Öffentlich-Rechtliche sowie private Rundfunkanbieter, Verlage, aber auch Institutionen aus Wissenschaft und Kultur beteiligen können.
Videoangebote. Vor allem On Demand-Anbieter wie Netflix oder auch Amazon Prime rücken zunehmend ins Blickfeld der großen TV-Sender. So will RTL mit dem Ausbau des Videoangebots TV Now den Kampf gegen Netflix & Co. aufnehmen. Und auch die ProSiebenSat.1-Gruppe will – mit Einladung an RTL, ARD und ZDF – mit einem eigenen Streaming-Portal diesen Anbietern die Stirn bieten. In Österreich ist man ebenfalls aufgeschlossen.
Aufmerksamkeit. „Traditionelle Medien wie TV, Radio oder Zeitungen befinden sich in einem sich weiter verschärfenden Wettbewerb zu Online-Medienplattformen wie YouTube oder Facebook“, analysiert Corinna Drumm, Geschäftsführerin des Verbandes Österreichischer Privatsender (VÖP) die Lage. Letztere beanspruchen immer mehr Aufmerksamkeit des Publikums und immer höhere Anteile an den Werbespendings. Gleichzeitig unterliegen sie jedoch keinen vergleichbaren Regelungen wie klassische Medien, etwa in den Bereichen Werbung, Datenschutz, Steuern oder Urheberrecht, so Drumm weiter: „Dieses Ungleichgewicht und das ungezügelte Wachstum der Plattformmedien führt nicht nur zu einer Vielzahl an negativen gesellschaftlichen Folgen, wie etwa Fake News oder Beeinflussung von Wahlen, sondern es stellt auch die Geschäftsmodelle der klassischen Medien vor enorme Herausforderungen.“ Für sie sind demnach Allianzen eine der Schlüssel, um mit diesen Herausforderungen umzugehen: „Diese Kooperationen müssen wohl jedenfalls über Ländergrenzen hinweg erfolgen, um erfolgreich zu sein. Vor diesem Hintergrund befürworte ich Kooperationsinitiativen, gleichgültig, ob sie von öffentlich-rechtlicher oder von privatwirtschaftlicher Seite ausgehen“, so Drumm.
Auf Augenhöhe. Unverzichtbare Voraussetzung für das Gelingen jeder Kooperation sei jedoch, dass die Partner auf Augenhöhe agieren und nicht einer der „Boss“ sein will, und dass sie das große Ganze im Auge haben und nicht nur den partikularen eigenen Vorteil, mahnt die VÖP-Geschäftsführerin ein: „Unter diesen Voraussetzungen halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass sich solche Allianzen wie die von Wilhelm vorgeschlagene formen können und werden.“
Österreich-Sicht. Auch der ORF hat sich – bereits im Rahmen der Medienenquete – mit Vorschlägen zur Stärkung des Medienstandortes Österreich hervorgetan. So plädiert man am Küniglberg für die Schaffung eines nationalen Produktions- und Förderfonds für private österreichische Medien. Angedacht hatte man beim ORF dabei eine Regulierung des Abflusses von Werbegeldern aus dem Markt durch die Werbefenster einerseits und andererseits Maßnahmen, um den weltmarktbeherrschenden Online-Giganten Google und Facebook sowie Amazon und Netflix entgegenzutreten. „Allein Google und Facebook setzen in Österreich mehr als 260 Mio. Euro jährlich um. Durch die deutschen Werbefenster fließen jedes Jahr weitere 600 Mio. Euro brutto aus dem österreichischen Markt ab“, heißt es in einer ORF-Aussendung. Die Wirtschaftstätigkeit von Google, Facebook und Co. soll dabei nach dem Grundsatz der „digitalen Betriebsstätte“ einer Besteuerung in Österreich unterworfen werden. Diese Bestimmung ist – entsprechend eines Vorschlags des Europäischen Rats – auch auf Werbefenster-Betreiber auszuweiten. Zur Dotierung des Produktions- und Förderfonds könnten laut ORF 20 % der in Österreich erzielten Werbeeinnahmen von Google und Facebook (das wären 50 Mio. Euro pro Jahr) sowie 20 % der Netto-Einnahmen der deutschen Werbefenster in Österreich (bei geschätzt 200 Mio. Euro Netto-Einnahmen wären dies 40 Mio. Euro pro Jahr) und 10 % der Einnahmen der Streaming-Giganten in Österreich (Amazon, Netflix) beitraggen. So könnte in Summe ein Fördervolumen von jährlich annähernd 100 Millionen Euro für private österreichische Medien zur Verfügung gestellt werden, schätzt man beim ORF.