„Text und Video werden weiterhin einen starken Platz haben“

Die Medienenquete war das Highlight des medialen Frühsommers. Medienexperten berichten über ihre Eindrücke, Erwartungen, Befürchtungen – und über ihre persönlich wichtigsten Medienthemen der Zukunft.

MedienManager: Die Medienenquete ist absolviert … Ihre Erwartungen bzw. Ihre Befürchtungen, was nun weiter geschehen wird? Maria Jelenko, Heute: Erlöse aus digitaler Werbung für Google und Amazon werden wohl weiterhin nicht besteuert, Onlinemedien profitieren also weiterhin nicht in dem Ausmaß, wie es internationale Großkonzerne tun. Ich habe die Befürchtung, dass die GIS abgeschafft wird, was die Unabhängigkeit des ORF gefährden würde. Friedrich Dungl, NÖN: Ich fürchte, dass die Uneinigkeit in der Medienbranche es der Politik leicht macht, zu argumentieren, dass rasche Ergebnisse nicht umsetzbar sind. Daher werden wir im Zustand „jeder gegen jeden“ verharren und warten, bis die internationalen Player den Markt zur Gänze an sich gerissen haben. Gerald Grünberger, VÖZ: Unabhängige Medien und unabhängigerJournalismus sind der demokratiepolitische Sauerstoff unserer Gesellschaft. Nun geht es an die Umsetzung – und Worten sollten bekanntermaßen Taten folgen. Wir hoffen jedenfalls, dass in den kommenden Monaten dringend notwendige Reformschritte eingeleitet werden. Gino Cuturi, OÖN: Meine Erwartung ist, dass die wesentlichsten Erkenntnisse der Medienenquete – zumindest was die Gleichbehandlung der Werbetreibenden in Österreich betrifft – auch tatsächlich konkret mit z. B. 1.1.2019 umgesetzt werden und in Kraft treten. Gleichbehandlung beiWerbeabgabe und somit Chancengleichheit („Fairness“). Meine Befürchtung ist, dass nix passiert. Markus Breitenecker, ProSiebenSat1 PULS 4: Die Medienenquete war sehr gut organisiert und vorbereitet, und wir sind guter Hoffnung, dass die Aussagen des Medienministers eingehalten werden, dass in den nächsten Monaten die medienpolitische Debatte auf diesem hohen Niveau weitergeführt wird, sodass 2019 daraus auch neue gesetzliche Grundlagen entstehen können. Angelika Sery-Froschauer, Obfrau des Fachverbandes Werbung und Marktkommunikation der WKO: Wir haben im Vorfeld und bei der Enquete einen Wettbewerb an Diskussionsbeiträgen erlebt. Es war eine ernsthafte Debatte auf neuem und qualitativ hochwertigem Niveau. Diese medienpolitischen Themenstellungen waren auch medial sehr präsent. Die Regierung wird zügig weiterarbeiten. In manchen Bereichen rechne ich bereits heuer mit konkreten Ergebnissen und Gesetzesvorschlägen. MedienManager: Die drei wichtigsten Punkte, die Ihrer Meinung nach in naher Zukunft behandelt werden sollten? Jelenko: Die Besteuerung von internationalen Medienkonzernen zugunsten österreichischer digitaler Privatmedien. Kommerzielle Möglichkeiten für Onlinewerbung im ORF zugunstenPrivater beschränken. Die journalistische Unabhängigkeit des ORF muss auch in Zukunft garantiert sein. Dungl: Rahmenbedingungen für einen leistbaren Vertrieb zu schaffen, ein faires Förderungsmodell für das Generieren eigenständiger und hochwertiger Inhalte und Chancengleichheit für alle Marktteilnehmer (z. B. Steuern) herzustellen. Grünberger: Neben der Weiterentwicklung des öffentlich-rechtlichen Auftrages und der Neuaufstellung und Erhöhung der Presseförderung, zählen die Klärung der medien-, urheber-, und steuerrechtlichenBehandlung von digitalen Aggregatoren und Plattformen für eine Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs. Konkret bedeutet dies z.B. die Etablierung digitaler Betriebsstätten und ein Leistungsschutzrecht für Verleger. Cuturi: Förderungen vereinheitlichen, um finanzielle Mittel (zumindest vom Staat) für alle gleich zu stellen – kann auch im aktuellen Fall verwendet werden, um das Thema Einzelhandel (Trafiken) als wichtig für die Demokratie erkannten Vertriebsweg zu stützen („Wegfall“ von Morawa). Gleichbehandlung Werbeabgabe Print/Online. Als Privatmensch: Entpolitisierung des ORF – auch durch Stiftungsräte, die fachlich und nicht parteipolitisch besetzt werden. Breitenecker: Erstens: Level Playing Field zwischen den Silicon-Valley-Giganten und den europäischenMedien. Zweitens: Umwandlung der Konkurrenzsituation der heimischen Player in einePartnerschaft, indem es eine Allianz zwischenÖffentlich-Rechtlichen und privaten Playern gibt. Drittens: Präzise Neudefinition des öffentlich-rechtlichen Kernauftrages und gemeinsame Investitionen in Forschung und Entwicklung in Public Private Partnerships. Sery-Froschauer: Erstens wird es darum gehen, Lösungen inBezug auf die ORF-Finanzierung, die ORF-Aufsichtsstruktur und die Medienförderung zu finden. Zweitens brauchen wir ein „Level PlayingField“, bei ePrivacy, Leistungsschutzrecht/Urheberrecht und „digitalen Konzernsteuern“muss es europäische Lösungen geben. Und drittens brauchen wir die geeigneten kartellrechtlichen Voraussetzungen, um Allianzen und Kooperationen zwischen dem Öffentlich-Rechtlichen und den Privaten (insbesondere bei der gemeinsamen Werbevermarktung im digitalen Bereich) zu schaffen. MedienManager: Digital nimmt in der Medienwelt einen unleugbar starken Stellenwert ein … hat Print dennoch weiterhin eine starke Präsenz in einer künftigen Medienwelt NEU? Jelenko: Um Print-Journalismus im Verdrängungsprozess gegen digitale Medien zu stärken, gehört hier die staatliche Medienförderung aufgestockt. Da bereits heute mehr digitales Inventar auf dem Markt ist, als die Werbewirtschaft benötigt, glaube ich nicht an rein werbefinanzierte hochwertige Inhalte im Online-Bereich. Daher werden die Nutzer auch auf Internet-Plattformen in Zukunft für Inhalte zahlen müssen oder man findet geschickte Modelle mit einer Kombination aus Print- und Online-Kanälen. Dungl: Da bereits heute mehr digitales Inventar auf dem Markt ist, als die Werbewirtschaft benötigt, glaube ich nicht an rein werbefinanzierte hochwertige Inhalte im Online-Bereich. Daher werden die Nutzer auch auf Internet-Plattformen in Zukunft für Inhalte zahlen müssen oder man findet geschickte Modelle mit einer Kombination aus Print- und Online-Kanälen. Grünberger: Kein Kommentar. Cuturi: Österreich zählt weltweit zu den viertstärksten Ländern der Tageszeitungsleser (Print), und das wird auch noch lange so bleiben. Es gibt natürlich Herausforderungen für Medienhäuser (aktuell bei uns Tageszeitungen das Thema Pressevertrieb im Einzelhandel) und Bereiche im Werbemarkt, die sich natürlich in digitale Plattformen verschoben haben (Rubrikenmärkte). Allerdings sehe ich den Lesermarkt sehr stabil, vor allem auch, weil Österreich ein sehr starkes „Aboland“ ist. Breitenecker: Print wird auf gedrucktem Papier zurückgehen, aber Text und auch Video werden in der digitalen Welt weiterhin einen starken Platz haben. Sery-Froschauer: Natürlich sehen wir einmal die digitalen Umbrüche für die Printmedien. Aber Onlinewerbung kommt an ihre Grenzen. Die durchschnittliche Verweildauer von Onlinelesern beträgt 46 Sekunden, während der durchschnittliche Zeitungskunde 23 Minuten mit seinem Medium beschäftigt ist. Ebenso braucht eine demokratische Gesellschaft ernsthaften Journalismus. Zentrale Herausforderung einer zeitgemäßen Medienpolitik ist es, diesen ernsthaften Journalismus zu identifizieren und zu fördern.
Gino Cuturi, OÖN; Markus Breitenecker, ProSiebenSat1 PULS 4; Angelika Sery-Froschauer, Obfrau des Fachverbandes Werbung und Marktkommunikation der WKO