„Es ist etwas passiert, dann brauchen wir jetzt Ethik“

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Ethikkommissionen würden den rasanten wissenschaftlich-technologischen Entwicklungen vielfach hinterherlaufen, so
Barbara Prainsack (Universität Wien).

Technologie und Wissenschaft sind in vielen Bereichen dem öffentlichen Diskurs voraus – mehr gesellschaftspolitische Auseinandersetzung ist gewünscht.

Fahrzeuge, die ihren Weg ganz alleine finden, ohne menschliche Hand am Steuer; Babys, die noch vor der Geburt durch genetische Eingriffe resistent gegen Krankheiten gemacht werden; künstliche Intelligenzen, die entscheiden, wer welche Nachrichten zu sehen bekommt – was uns bisher nur als Utopie in Science-Fiction-Welten begegnet ist, ist heute technisch möglich. Aber soll alles, was theoretisch machbar ist, auch umgesetzt werden?
Denn neben den Erwartungen, wie gewonnene Zeit, weniger Krankheitsfälle oder individuelle Nachrichtenangebote, sind auch fatale Auswirkungen vorstellbar. Wenn etwa Algorithmen das Verteilen von Informationen mit dem Ziel steuern, Wahlergebnisse zu beeinflussen, werden dadurch demokratische Prozesse manipuliert. Das zeigt, wie sehr technologische bzw. wissenschaftliche Fragestellungen letztendlich auch das tägliche Leben berühren.

Aktuell würden Ethikkommissionen und andere Institutionen den rasanten Entwicklungen vielfach hinterherlaufen, stellte Barbara Prainsack, Professorin für Vergleichende Politikfeldanalyse an der Universität Wien und Mitglied der Österreichischen Bioethikkommission, bei einem Event von APAScience mit dem Titel „Die ‚Grand Challenges‘ der Ethik“ in Wien fest. Wenn sich potenziell derart weit in das Alltagserleben reichende Entwicklungen, wie etwa in den Bereichen Machine Learning, Künstliche Intelligenz (KI) oder Genetik auftun, rufe das Regulatoren auf den Plan, die dann versuchen, das irgendwie einzuhegen. Es herrsche der Zugang: „Es ist etwas passiert, dann brauchen wir jetzt Ethik“, so Prainsack.

Es brauche einen breiten Diskurs, „welche Gesellschaft wir wollen“ und wie mit den „Daten, die uns gehören“ eigentlich umgegangen werden soll, machte Prainsack am Beispiel der digitalen Überwachung klar – man müsse „Ethik als gemeinsame Aufgabe sehen.“ Bisher hätten Politik und Gesellschaft dazu tendiert, die Auseinandersetzung mit „Fundamentaltechnologien“ an Expertengremien auszulagern und hätten die Diskussionen damit auch aus dem gesellschaftspolitischen Zusammenhang gelöst.

Bei einer Blitzumfrage unter den etwa 100 Gästen der Veranstaltung stimmte die Hälfte dieser Analyse zu. Niemand war hingegen der Meinung, dass ethische Überlegungen in politischen Entscheidungsprozessen mehr als ausreichend berücksichtigt werden. Der Wunsch nach einer verstärkten gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung mit den Fragen, wie weit theoretische Möglichkeiten in Wissenschaft und Technik tatsächlich umgesetzt werden sollen, scheint vorhanden – auch wenn die Umfrage nicht repräsentativ war. Dazu muss der öffentliche Diskurs mit relevanten und verständlichen Informationen versorgt werden. Hier sind sowohl alle Organisationen und Unternehmen, die Neues entwickeln, als auch Medien gefragt.

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