„Digitalisierungsfee“ begünstigt Radio

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„Radio bringt immer etwas Neues – ein Aspekt, warum man sich um die Zukunft
des Mediums keine Sorgen machen muss.“

Joachim Feher, Geschätsführer vom Radio Market Service (RMS) spricht mit dem MedienManager über die neuesten Entwicklungen im Radiobereich und wie man Spotify und Co. den Kampf ansagen kann.

MedienManager: Herr Feher, der Radiotest 2019 brachte beeindruckende Ergebnisse für RMS: eine Steigerung der Marktanteile gegenüber dem letzten Jahr und die Stellung als Lieblingsmedium der Österreicher. Warum ist Radio Ihrer Meinung nach immer noch so erfolgreich in Zeiten der Digitalisierung?

Joachim Feher: Während für viele Mediengattungen die Digitalisierung ein furchterregendes Monster ist, ist sie für Radio eine Fee, die uns viele langgehegte Wünsche erfüllt. Beim Radio bekommen wir dadurch neue Verbreitungswege und schaffen es, den Konsumenten neue Touchpoints zu bieten. Wir machen seit vielen Jahren das Werbewunder Radio, in Wirklichkeit ist Radio per se ein Wunder, weil es das Medium schafft, jeden persönlich anzusprechen, und das gelingt jetzt schon seit 100 Jahren. Ich glaube, Radio ist die Mediengattung, die es am besten schafft, adaptiv auf das zuzugehen, was sich die Menschen wünschen, und es ist die einzige Gattung, die ihre User gleichzeitig aufheitert, beim Stressabbau hilft und ein Mittel gegen Einsamkeit bietet.

MedienManager: Die Zahlen des Radiotests beweisen: Radio ist ein Must-have für jeden erfolgreichen Mediaplan. Welches Potenzial hat klassischer Hörfunk für Werbekunden?

Feher: Der Anteil ist doch sehr deutlich gewachsen und Privatradio gehört zu den Wachstumssiegern der letzten Jahre. Nichtsdestotrotz ist der Anteil noch immer unter sieben Prozent, und ich behaupte, dass Radio durchaus einen zweistelligen Anteil verdient hätte. Warum? Es ist erwiesenermaßen ein Aktivierungsmedium. Jeder, der Radio einsetzt, weiß, die Menschen stürmen danach geradezu die Geschäfte. Es wird aber viel zu wenig zum Storytelling eingesetzt. Es gibt ja nichts Schöneres als die menschliche Fantasie und die Bilder, die individuell im Kopf dabei entstehen. Das kann Radio auch. Da im Streaming-Bereich mit dem Smartphone die Kopfhörernutzung wahnsinnig hoch ist, wird das Erlebnis intimer, der Kontakt intensiver, und die Werbewirkung steigt. Ich glaube schon, dass nahezu in jedem Mediaplan Radio und Audio einen Stellenwert haben sollten, und wenn ich jetzt noch ein Stückchen weiterdenke, nämlich dass Voice Commerce über Smartspeaker kommen wird, dann sollte sich jeder ganz dringend überlegen, wie seine Audio-Identität aussieht. Die Komponente Audio bedeutet, über das Gehörte identifizierbar zu sein, und das macht natürlich den Kanal Radio noch wichtiger.

MedienManager: Seit 28. Mai verwendet RMS Digital Audio Broadcasting – im Großteil Europas ist dieses Übertragungsformat bereits Standard. Was kann man sich darunter vorstellen und welche Vorteile bringt es Österreichs Radiolandschaft?

Feher: Man muss es ein bisschen anders sagen: Seit 28. Mai dieses Jahres werden Radiosender in Österreich auch über diesen Standard übertragen. Also es wurden die ersten Sender, Multiplexe genannt, aufgeschaltet und dadurch gibt es mehr Vielfalt. Es gibt neue Sender, die Rock Antenne aus Deutschland beispielsweise oder Technikum One aus Wien, die nun österreichweit ausstrahlen. Es macht uns sehr glücklich, dass wir von Anbeginn an diese Sender bei uns auch im Portfolio haben. Der nächste Radiotest wird erstmals Reichweiten für diese Sender ausweisen, und ab 1. Jänner 2020 sind diese Sender auch in der „Top Kombi“ dabei. Ich glaube, da ist nicht zu viel gesagt, wenn man sich davon auch eine Reichweitensteigerung im Vergleich zur Vergangenheit erwarten kann. Wie ich von den Betreibern höre, sollen weitere Sender starten, und ich wäre sehr glücklich, wenn wir die dann auch in der RMS-Familie begrüssen dürfen.

MedienManager: Trotz positiver Zahlen im Radiotest steht Radio in Konkurrenz zu Spotify und Co. Individualisierbare Streaming-Dienste sind immer mehr auf dem Vormarsch. Wie können sich Radiosender von den Onlinegiganten abgrenzen? Was kann ein Radiosender, was ein Streaming-Dienst nicht kann?

Feher: Das wichtigste ist, dass Radiosender in allem, was sie auch online machen, ihre Identität behalten, dass sie eben mehr machen als ein reiner Streaming-Dienst oder eine Playlist, dass hier ihre Service-Informationselemente dabei sind und dass sie den Charakter, den Lifestyle des Radiosenders mitgeben. Wir haben in Österreich noch keine konvergente Reichweitenwährung. Seitens RMS würden wir das sehr begrüssen und unterstützen eine entsprechende Weiterentwicklung. In Deutschland gibt es diese konvergente Währung, und daher weiß man beispielsweise, dass alle Digital-online-Angebote der Radiosender größer sind als Spotify. Wir haben auch sehr viel qualitativ geforscht in diesem Bereich. Wenn man mit Konsumenten redet, dann stellt man sehr schnell fest, dass bei den vielen Millionen Songs und Interpreten, die man bei Spotify zur Verfügung hat, den Leuten dann irgendwann doch nur die gleichen Interpreten einfallen. Radio bringt eben immer etwas Neues. Das ist der eine Aspekt, warum man sich um Radio keine Sorgen machen muss, und der zweite ist, dass in der Digitalisierung nun Radiosender auch ein deutlich vielfältigeres Angebot haben. Radio Austria hat am 26. Oktober ja nicht nur einen UKWSender gestartet, sondern zeitgleich auch 16 verschiedene Webstreams. Wir haben bereits jetzt 143 österreichische Webstreams unserer Radiosender im Angebot. Die Initiative von Life Radio Oberösterreich wurde erst kürzlich neu gelauncht. Teil der Initiative war eine neue Webseite sowie neue Apps. Was Sie hier an non-linear abrufbarem Content finden: die letzten Nachrichten, die Comedy von am Morgen bis hin zu Podcasts, die von Radiosendern produziert werden … dann bin ich wieder dort, was ich eingangs gesagt habe: Die Digitalisierungsfee macht für uns Radioleute vieles möglich.

MedienManager: Als zweites Land weltweit hat Österreich in Eigenentwicklung der RMS die Data Management Plattform gelauncht, in der eine eigene Audio-DMP vorhanden ist. Können Sie uns mehr darüber erzählten?

Feher: Damit kann man 100 Prozent des Online-Audio-Traffics adressieren und targeten. Die übliche Methode, um Profile und Audiences zu erstellen, ist es, mittels Cookies zu arbeiten, also Menschen im Internet über Cookies zu tracken. Cookies funktionieren aber nur überall dort, wo es ein HTML-Umfeld gibt. Die verschiedensten Player, die bei Online-Audio im Einsatz sind – Smart-speaker, WLAN-Radios, Connected Cars usw. – dort kann man keine Cookies droppen, und damit wären die User nicht identifizierbar. Die RMS Deutschland hat eine Technologie entwickeln lassen, die auf jedem Gerät User identifizierbar macht, mittels der sogenannten Listener-ID, und das bringen wir nach Österreich. Dann haben wir ganz viele spannende neue Zielgruppen, die man teilweise aus dem Display-Bereich kennt. Wer ist gerade im Markt für Gebrauchtwagen, wer möchte eine Wochenendflugreise machen, wer sind die Menschen, die viel backen, bis hin zu der Identifikation von Pendlern beispielsweise. Wer pendelt jeden Tag mindestens 30 Kilometer oder auch, was ich besonders spannend finde, User von Adblockern. Im Audio-Bereich funktionieren diese nicht, über Audio lassen sich auch die Menschen mit Werbung bespielen, die das bei Display ablehnen.