Digitalformate für heimische Branche Zukunftsasset

Österreichische Medienmacher sehen – nicht zuletzt aus den Erfahrungen infolge der Corona-Pandemie – in der Digitalisierung von Nachrichtenangeboten ein wichtiges Asset für die Zukunft der Branche, vor allem auch mit Blick auf die junge Zielgruppe. Dieser Befund lässt sich aus einer Podiumsdiskussion ableiten, die am Mittwochabend anlässlich der Veröffentlichung des neuen „Reuters Institute Digital News Reports“ im APA-Medienzentrum stattgefunden hat.

Die Österreich-Auswertung des Reports hat u.a. ergeben, dass das Vertrauen in traditionelle Medien in Pandemiezeiten stark gestiegen ist. Während TV die wichtigste Nachrichtenquelle bleibt und Printprodukte weiter rückläufig sind, gibt es vor allem bei jungen Menschen eine vermehrte Nutzung von Online-Kanälen, vor allem im Social-Media-Bereich. Zeitgleich ist auch die Bereitschaft gestiegen, für digitale News zu bezahlen. In der von „Falter“-Redakteurin Nina Horacek moderierten Veranstaltung versuchten ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz, „Kurier“-Chefredakteurin Martina Salomon, APA-Geschäftsführer Clemens Pig und Melisa Erkurt, Gründerin des rein auf Instagram präsenten Jugendportals „Die Chefredaktion“, ihre Schlüsse aus den Resultaten zu ziehen.

Wrabetz freute sich über die vor allem für die TV- und Radio-Nachrichten des ORF ausgewiesenen hohen Vertrauenswerte. „Wir dürfen uns aber nicht auf die klassischen Medien verlassen“, mahnte er mit Blick auf die zunehmende Relevanz von Sozialen Medien. Hier habe es im Unternehmen einen Paradigmenwechsel insofern gegeben, als Social Media als „dritte Säule unserer Informationsleistung“ zu begreifen sei. Das sei zwar nicht unumstritten, „aber es gibt keine Alternative“. Das ZiB-Format auf Instagram funktioniere gut, im Sommer soll die „Zeit im Bild“ auch auf Tiktok einen Auftritt bekommen, kündigte der ORF-Chef an. Viele junge Menschen würde auf diesem Weg wohl erst mit der Marke ZiB in Berührung kommen.

Wrabetz, der am 10. August erneut als Generaldirektor antritt, meinte zudem, dass die infolge von Corona gestiegenen hohen Vertrauenswerte des Publikums nur durch neutrale Berichterstattung gehalten werden könnten. Denn es zeige sich: Überall dort, wo der Öffentlich-Rechtliche von einem starken Zugriff durch die jeweils Regierenden geprägt sei – etwa in Polen oder Ungarn -, verliere er an Vertrauen und damit auch an Reichweite.

Salomon versicherte, der „Kurier“ habe einen „Digitalisierungsschub“ durch die Pandemie nicht gebraucht, sondern schon vor zwei Jahren das Digitalabo eingeführt und inzwischen 20.000 Bezahlabos generiert. Dadurch sei die Gesamtzahl der Abonnentinnen und Abonnenten nach einem Sinkflug wieder gestiegen. Wichtiges Asset dabei seien die mittlerweile sieben Podcasts, die die Zeitung anbietet – mit bis zu 60.000 Hörerinnen und Hörern pro Woche: „Ich war selbst überrascht, wie das abgegangen ist.“ Die große Herausforderung werde freilich sein, die gestiegene Zahlungsbereitschaft zu halten, „denn mit einer rein geprinteten Tageszeitung wird es in Zukunft wohl schwierig werden“.

Pig erklärte, die digitale Transformation der APA sei ein Marathonlauf, „der vor Corona begonnen und jetzt einen Schub erhalten hat“. Das betreffe weniger den Social-Media-Bereich, da die Nachrichtenagentur als Business-to-Business-Unternehmen tätig ist, sondern Lösungen für die Kunden. Die Redaktion habe etwa neben verstärktem Live-Output im Video- und Blog-Bereich neue digitale Angebote entwickelt – etwa leicht verständliche Corona-Nachrichten in zwischenzeitlich elf verschiedenen Sprachen oder automatisch generierte News auf Basis von Datenjournalismus. Derzeit arbeite man gemeinsam mit dem ORF und zahlreichen Medien verlegerischer Herkunft an einem „zentralen österreichischen Medien-Login“. Denn wenn in Pandemiezeiten verlässliche Nachrichten so benötigt würden wie Trinkwasser, dann brauche es auch einen entsprechend einfachen Zugang, den dieser gemeinsame Medienaccount bieten werde.

Erkurt sah die Bespielung von Social-Media-Kanälen vor allem im Hinblick auf das junge Publikum gewissermaßen als Grundvoraussetzung – denn: „Wenn wir die erreichen wollen, müssen wir dort hin, wo sie sind.“ Dabei reiche es nicht, wenn Medien einfach klassische Geschichte auch auf Twitter oder Instagram posten. Es brauche neue Erzählweisen und Zugänge. Bei „Die Chefredaktion“ träten die Redakteurinnen und Redakteure beispielsweise mit den Followern in Kontakt und kämen so auch auf einen Teil ihrer Geschichten. Außerdem werde transparent gemacht, wie journalistische Arbeit funktioniere: „Viele junge Menschen glauben, die Redaktion ist auch für die Werbung zuständig.“

Ob man von einem reinen Instagram-Auftritt auch leben könne, wollte Moderatorin Horacek wissen. Erkurt räumte ein, dass sich ihr Medium derzeit noch über Förderungen finanziere, zeigte sich aber mittelfristig durchaus optimistisch, was zahlungsbereite Userinnen und User anbelangt. „Jungen Menschen zahlen auch für Spotify oder Netflix. Man muss ihnen nur interessante Bezahlmodelle anbieten.“