Ibiza-Video – Datenschützer: Öffentliche Interesse überwiegt

Nachdem am Sonntag ein deutscher Datenschützer die heimliche Aufzeichnung des Videos von Heinz-Christian Strache (FPÖ) und die Veröffentlichungen scharf kritisiert hat, hat sich am Montag Arge Daten-Obmann Hans Zeger dazu geäußert. Nach Ansicht des heimischen Datenschützer treten die Datenschutzrechte in den Hintergrund, in diesem Fall überwiegt das öffentliche Interesse.

Als strittigen Punkt sieht Zeger jedoch die Urheberrechtsinteressen der heimlich gefilmten FPÖ-Politikern Strache und dem mittlerweile zurück- und aus der Partei ausgetretenen Ex-Klubchef Johann Gudenus. „Es geht hier nicht um eine rein private Geschichte“, betonte Zeger. Vielmehr habe sich Strache „als der große Diktator von Österreich gebärdet mit dem Hinweis auf Ämter“. Möglicherweise gebe es in dem Video auch Sequenzen, die „rein privater Art sind. Aber die wurden bisher ohnedies nicht veröffentlicht“, sagte der Datenschützer.

Er wies darauf hin, dass die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in den Nationalstaaten unterschiedlich ausgelegt worden ist. In Österreich wurde das, was darin enthalten ist, „für journalistische Tätigkeiten, um die Meinungsfreiheit zu erleichtern, abweichend geregelt“. Das heißt im Klartext: „Die DSGVO gilt für journalistische Tätigkeiten nicht“. Zeger betonte, dass im Prinzip jeder, „der auch nur irgendetwas Journalistisches macht, sei es ein Blog oder eine Webseite – sich darauf berufen kann.

Was übrig bleibt sei das Recht auf das eigene Bild, das Urheberrecht. Demnach dürfen Informationen nicht verwertet werden, die die Interessen des Betroffenen beeinträchtigen, erläuterte Zeger. Allerdings müsse auch hier unterschieden werden, ob es sich um eine Person des öffentlichen Interesses, einen Amtsträger handelt, oder um eine Privatperson. „Das könnte man diskutieren“, beurteilte der Datenschützer. Hier könnten die Gefilmten auf dem Zivilrechtsweg Schadenersatz vom Urheber der Videos einklagen. „Das Recht auf das eigene Bild ist ziemlich streng.“ Allerdings sei das eine Sache von Gerichten und „mittlerweile ist Strache ja zu einer Person der absoluten Zeitgeschichte geworden“. Und Personen des öffentlichen Interesses „müssen sich mehr gefallen lassen“. Das sei nun eine Abwägungsfrage, „war das noch ein zulässiger Eingriff oder nicht“, darüber „kann man noch streiten“.

Zeger betonte außerdem, dass es in Österreich kein Beweisverwertungsverbot gib. „Auch rechtswidrig beschaffte Daten können bei Gericht verwendet werden“, sagte er. Denn das Beweisverwertungsverbot sei eingeschränkt und gelte beispielsweise nur, „wenn der Staat im Zusammenhang mit dem Großen Lauschangriff etwas macht“. „Das Video kann frei verwertet werden, wenn es um die Prüfung möglicher krimineller Aktivitäten durch heimische Gerichte geht“, konkretisierte der Chef der Arge Daten.

In Summe gebe es zahlreiche unterschiedliche juristische Aspekte zu beachten. Noch dazu wurde das Video ja noch vor Inkrafttreten der DSGVO angefertigt. „Ich habe Zweifel daran, dass man aus dem Datenschutz heraus irgendwas konstruieren kann“, sagte Zeger. Sein Fazit laute jedoch: Aus österreichischer Sicht betrachtet müsse Strache „die Krot schlucken“.

Das Ibiza-Video schlug in den Social Media in Österreich heftige Wellen. #ibizagate, der Rücktritt von Strache und Gudenus sowie die resultierende Regierungskrise sorgten am Wochenende für rund 430.000 Twitter-Postings, teilte der österreichische Medienbeobachter META Communication International am Montag mit.

Das Unternehmen hätte „am vergangenen Wochenende auf Twitter mehr Postings als im kompletten Wahlkampfmonat 2017“ gemessen, hieß es in einer Aussendung. Seit Anfang mai seien es 4,4 Million Tweets Nennungen zum politischen Diskurs mit den hauptsächlichen Akteuren und Ereignissen gewesen. „Rund zehn Prozent davon wurden alleine am vergangenen Wochenende generiert.“ Sehe man sich den Zeitverlauf seit 2017 an, dann hätten Politikerrücktritte – zum Beispiel jener von Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und Eva Glawischnig (Grüne), die Causa um den NÖ-FPÖ-Politiker Udo Landbauer („Lieberbuch“-Affäre) sowie „Einzelfälle“ inklusive der Identitären jeweils für Peaks gesorgt.

Einen derartigen Tweet-Sturm wie am vergangenen Wochenende hatte es da aber jeweils nicht gegeben. Wichtige News seien so schneller an die Öffentlichkeit gekommen und auch praktisch online kommentiert worden. Etwa zwei Drittel der Tweets hatten die FPÖ als Thema.

Aus Sicht des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) war die Veröffentlichung des Skandal-Videos gerechtfertigt. Natürlich sei es eine Abwägungsfrage, ob ein nicht genehmigter Mitschnitt veröffentlicht werden dürfe, sagte DJV-Vorsitzender Frank Überall der Deutschen Presse-Agentur am Montag. „Ich glaube, hier ist es so eindeutig, diese Aussagen von einer Person des öffentlichen Lebens, dass das an dieser Stelle gedeckt ist.“

„Süddeutsche Zeitung“ und „Spiegel“ hatten am Freitag über das offenbar heimlich gedrehte Video berichtet und kurze Ausschnitte daraus online gezeigt. Darauf ist der am Wochenende zurückgetretene Vizekanzler Strache 2017 bei einem Treffen mit einer vermeintlichen russischen Oligarchin auf Ibiza zu sehen. Dabei hat er ihr öffentliche Aufträge in Aussicht gestellt, wenn sie seiner Partei FPÖ zum Wahlerfolg verhelfe. Strache und der Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus räumten die Zusammenkunft gegenüber den beiden Medien ein. Die Berichterstattung führte zu Straches Rücktritt sowie zum Bruch der rechtskonservativen Regierungskoalition Österreichs.

„Es wäre natürlich völlig undenkbar, dass Journalistinnen oder Journalisten eine solche „Falle“ stellen“, sagte Überall. „Das entspricht nicht den ethischen Regeln einer Recherche. Aber wir haben es hier mit einem Video zu tun, das in der Welt ist. Und der entscheidende Punkt für mich ist, dass der Inhalt des Videos von den Protagonisten nicht bestritten wird.“ Andernfalls wäre die Situation eine andere.