Mitgefühl und manipulative Bots in Social Media gefunden

Ein anderes Bild als das der digitalen Meinungs-Kloake zeichnen Analysen von Wiener Forschern über Diskussionen auf Social Media-Plattformen: Sie fanden dort u.a. überraschend viel Anteilnahme angesichts von Katastrophen oder Todesfällen. In manchen Online-Auseinandersetzungen mischen mittlerweile auch automatische Social Bots mit, die diese mitunter gezielt lenken wollen, so die Forscher.

Noch keine Rolle spielten solche Bots im überlangen und stark polarisierenden österreichischen Präsidentschaftswahlkampf 2016. Über lediglich zwei Bots stolperte das Forschungsteam um Ema Kusen und Mark Strembeck vom Institut für Wirtschaftsinformatik und Neue Medien der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien bei seiner Analyse der Twitter-Diskussionen rund um die Auseinandersetzung zwischen Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer.

Neben dem Befund, dass der spätere Wahlsieger auf Twitter deutlich mehr Popularität und Einfluss hatte, kamen die Forscher auch zum Schluss, dass über den Account von Van der Bellen eher emotional neutrale Botschaften verschickt wurden, während aufseiten Hofers mit deutlich mehr Emotion gearbeitet wurde. Für beide Unterstützergruppen galt, dass sie relativ „unfreundlich“ auf Anhänger des anderen Kandidaten reagierten, sagte Strembeck im Gespräch mit der APA.

Den Emotionsgehalt von Beiträgen schätzten die Forscher, die sich in einer Reihe von Studien in den vergangenen Jahren mit Fragen zu Emotionen auf Social Media beschäftigt haben, über alle Untersuchungen hinweg mit in der psychologischen Forschung etablierten Word-Emotion-Lexika. Zusätzlich ließen sie Versuchspersonen den Emotionsgehalt von Postings in Facebook oder Twitter einschätzen und erweiterten auf Basis dieser Daten den Ansatz.

Darüber hinaus zeigte sich, dass Van der Bellen-Sympathisanten unbeabsichtigt eine tragende Rolle bei der Verbreitung von Falschmeldungen spielten, indem sie Fake News, die Van der Bellen mit Russland in Verbindung brachten oder eine Krebserkrankung unterstellten, richtig zu stellen versuchten. „Dadurch sind diese Nachrichten zu Empfängern gekommen, wo sie sonst gar nicht angekommen wären“, sagte Strembeck.

Anders als bei der österreichischen Präsidentenwahl mischten im US-Wahlkampf, der 2016 mit dem Sieg von Donald Trump endete, oder rund um das Brexit-Referendum Social Bots, die auf Social Media-Plattformen oftmals eine Unzahl an Nachrichten, Postings und Kommentaren versenden, schon ein gutes Stück weit mit. Social Bots lassen sich mittels eigener von Forschern entwickelten Programmen zwar gut identifizieren, geben aber oft keine Auskunft über ihren Betreiber.

Diskussionen werden umgelenkt

Wie bereits in anderen Analysen zeigten auch die Wiener Forscher, dass die Strategie hinter ihrem Einsatz oft das Umlenken von Diskussionen war. „Während der US-Präsidentenwahl haben solche Social Bots tatsächlich auch versucht, thematisch fremde Diskussionen – wie solche, wo einander Menschen ein schönes Thanksgiving wünschten – etwa mit Pro-Trump-Nachrichten zu kapern“, sagte Strembeck.

In einer weiteren Studie analysierte das Team die Social Media-Kommunikation rund um Ereignisse, die entweder emotional positiv oder negativ besetzt waren, bzw. solche, die polarisierend wirken. Zur Überraschung der Forscher gab es angesichts von Naturkatastrophen oder der massiven Bombenangriffe auf die syrische Stadt Aleppo „sehr viele positive Emotionen in den sozialen Medien, die vor allem Empathie und Sorge ausdrückten“, sagte Strembeck. Der Anteil an Schadenfreude und Häme hielt sich angesichts solcher Ereignisse in sehr engen Grenzen.

Die Forscher sehen darin eine Bestätigung für die „Undoing Hypothese“, die besagt, dass in diesem Zusammenhang versucht wird, positive Emotionen sozusagen als „Gegenmittel“ gegen negative Emotionen einzusetzen. Hier habe man erstmals „in größerem Maßstab“ einen Beleg für diese These gefunden, so der Wissenschafter.

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